Klimawandel und Hoffnung

by 23. Dezember 2022

Wissenschaftliche Prognosen zeichnen ein belastendes Bild über die Folgen des menschengemachten Klimawandels. So wird vermutet, dass bis 2050 mindestens 143 Millionen mehr Klimageflüchtete geben wird.[1] Um schwerwiegende Folgen des Klimawandels abzuwenden, versucht die EU bis 2050 klimaneutral zu werden.[2] Dem bisherigen Trend ist jedoch ist zu entnehmen, dass die globalen Emissionen weiter steigen werden.[3],[4] Die Wahrnehmung des Klimawandels und dessen Folgen belastet das psychische Wohlbefinden vieler Menschen.[5]Einige Menschen empfinden regelrechte Angst im Zusammenhang mit dem Klimawandel. [6] Diese Angst wird auch als „Climate anxiety“, „eco anxiety“ oder „climate grief“ bezeichnet und kann langfristig negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben.[7]Während Angst ein wertvoller Katalysator sein kann, um sich für den Umweltschutz einzusetzen, kann Angst auch lähmen. [8], [9] Zudem gibt es Hinweise darauf, dass das Beibehalten von Hoffnung die beste Möglichkeit ist, um Klimawandel und dessen Folgen bekämpfen zu können.[10] 

Gerade MuslimInnen können aus dem Glauben heraus Hoffnung schöpfen und eine einzigartige Handlungsmotivation gewinnen, sich für den Umweltschutz einzusetzen.

MuslimInnen sehen die Welt als etwas Wunderbares, von Allah Geschaffenes an. Die Welt ist damit eine Art Privileg, das dem Menschen zuteilwird. Ein Privileg, das jedoch auch mit einer großen Verantwortung verknüpft ist. Die Klimakrise kann in Bezug auf eben diese Verantwortung gegenüber der Schöpfung Allahs natürlich ebenfalls belastend sein. Beruhigend ist jedoch das islamische Bewusstsein, dass am Ende der Zeit jede/r zu Allah, dem Erhabenen, zurückkehren wird:

Allah bringt die Schöpfung hervor; sodann läßt er sie wiederholen; dann werdet ihr zu Ihm zurückgebracht. (30:11)

Nach dem islamischen Glauben ist das Leben auf der Welt eine Prüfung und eine Vorbereitung auf das Leben im Jenseits. Dabei sind alle Taten von MuslimInnen von besonderer Bedeutung. Nach dem Sinne der fortlaufenden Spende („Sadaqa Jariyah“ ) werden MuslimInnen nach ihrem Ableben zum Beispiel für all das Gute, das sie getan und auf der Erde hinterlassen haben, belohnt. Pflanzen MuslimInnen beispielsweise einen Baum, so würden sie jedes Mal, wenn sich ein Lebewesen von den Samen, Blättern oder Früchten dieses Baumes stärkt, für diese Pflanzung belohnt:

Anas, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete, dass der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte: „Kein Muslim wird einen Baum einpflanzen oder die Saat in die Erde senken, wovon Vögel, Menschen oder Tiere verzehren, ohne dass er dafür (von Allah) den Lohn eines Almosens (Sadaqa) erhalten wird …“

 [Sahih al-Bukhari, Kapitel 36/Hadithnr. 2320]

Was aber, wenn dieser Setzling vielleicht nicht gedeihen kann oder durch schlechte Witterungsbedingungen eingeht oder der Baum von anderen vernichtet wird?  War die Bemühung des Einpflanzens dann völlig umsonst? Nein, keinesfalls! Denn nach dem islamischen Glauben werden Personen nicht in erster Linie für ihre Handlungen belohnt, sondern das Entscheidende ist ihre Intention/Absicht:

„Wahrlich, die Taten werden nach ihren Absichten bewertet und jeder wird gemäß seiner Absicht belohnt.“ (Bukhari)

Demnach ist also keine Handlung die MuslimInnen tun jemals umsonst, selbst dann nicht, wenn sie ihr Ziel nicht erreicht. Stattdessen kann jede rechtschaffene Tat mit einer guten Intention eine Fürsprache sein, um am Jüngsten Tag Allahs Wohlgefallen zu erlangen. Im Einklang hiermit steht eine bekannte Erzählung:

Nachdem unser Prophet Ibrahim (Friede sei auf ihm) vom König Nimrud zum Tode verurteilt wurde, drohte er, ins lodernde Feuer geworfen zu werden. In dieser aussichtslosen Lage versuchte eine Ameise zur Hilfe zu eilen.  Sie trug einen Wassertropfen zur Feuerstelle und warf diese ins Feuer. Da wunderte sich ein anwesender Rabe darüber und fragte: 
„Warum hast du das getan, wenn das doch sowieso nichts bewirkt?“ Darauf antwortet die Ameise: „Ich weiß, dass das nichts bringt. Aber ich will damit zeigen, auf welcher Seite ich stehe“.

Zusammenfassend gibt es also – aufbauend auf den islamischen Glauben – viele Gründe stets hoffnungsvoll zu bleiben: Das Vertrauen auf den erhabenen Allah und auf seine Gerechtigkeit, der Glaube an dessen Allwissenheit und Barmherzigkeit sowie der Glaube an das ewige Leben im Jenseits. Genau diese Aspekte sind es auch, die MuslimInnen dazu motivieren sich einzusetzen, ohne sich sorgen zu müssen, ob ihr Einsatz am Ende ausreichend ist. Ängste sind menschlich und können auch präsent sein. Jedoch lässt das Gottvertrauen nicht zu, dass diese Ängste das Handeln für das Gute lähmen. Vielmehr möchten die Herzen sich fortwährend engagieren, denn MuslimInnen sind überzeugt:

“Allah erlegt keiner Seele mehr auf, als sie zu leisten vermag. Ihr kommt (nur) zu, was sie verdient hat, und angelastet wird (nur), was sie verdient hat.” (Koran, Sure 2 Vers 286)


[1] Podesta, J. (2019). The climate crisis, migration, and refugees.

[2] Claeys, G., Tagliapietra, S., & Zachmann, G. (2019). How to make the European Green Deal work. Brussels, Belgium: Bruegel.

[3] Xia, Q., Wang, H., Liu, X., & Pan, X. (2021). Drivers of global and national CO2 emissions changes 2000–2017. Climate Policy21(5), 604-615.

[4] Jackson, R. B., Le Quéré, C., Andrew, R. M., Canadell, J. G., Korsbakken, J. I., Liu, Z., … & Zheng, B. (2018). Global energy growth is outpacing decarbonization. Environmental Research Letters13(12), 120401.

[5] Clayton, S. (2020). Climate anxiety: Psychological responses to climate change. Journal of anxiety disorders74, 102263.

[6] Clayton, S. (2020). Climate anxiety: Psychological responses to climate change. Journal of anxiety disorders74, 102263.

[7] Clayton, S. (2020). Climate anxiety: Psychological responses to climate change. Journal of anxiety disorders74, 102263.

[8] Clayton, S. (2020). Climate anxiety: Psychological responses to climate change. Journal of anxiety disorders74, 102263

[9] Pihkala, P. (2018). ECO‐ANXIETY, TRAGEDY, AND HOPE: PSYCHOLOGICAL AND SPIRITUAL DIMENSIONS OF CLIMATE CHANGE: with Karl E. Peters,“Living with the Wicked Problem of Climate Change”; Paul H. Carr,“What Is Climate Change Doing to Us and for Us?”; James Clement van Pelt,“Climate Change in Context: Stress, Shock, and the Crucible of Livingkind”; Robert S. Pickart,“Climate Change at High Latitudes: An Illuminating Example”; Emily E. Austin,“Soil Carbon Transformations”; David A. Larrabee,“Climate Change and Conflicting Future …. Zygon®53(2), 545-569.

[10]